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Die Wirtschaftspolitische Entwicklung Brasiliens seit 1992
 
    Nach Umwandlung der Präsidential-Diktatur der Militärs in eine Präsidential-Republik (mit neuer Verfassung nach USA-Muster) kam es, seit 1979, zur Aufwertung des Parteiensystems, wobei unter der Vielzahl der politischen Vereinigungen sich drei Hauptgruppen herauskristallisierten:

    • Die oligarche Linie der alten Familien von Großgrundbesitzern (teilweise noch aus der Zeit der portugiesischen, staatengroßen „Capitanien“) mit ihren verwurzelten, regionalen und nationalen, Beeinflussungs- und Machtstrukturen.
    • Die bürgerlich-(neo-)liberale und sozialdemokratische Linie der industriellen und intelektuellen Mittelklasse, welche eine Stärkung der Mittelschicht beabsichtigt und eine gemäßigte Landreform zum Wohle der Kleinbauern initiierte .
    • Die (teilweise marxistisch-leninistisch) beeinflusste Arbeiterpartei, mit Anhang besonders in den marginalisierten Vorstädten der Metropolen und in den Armutsregionen des wasserarmen Nordostens, wobei radikale und anarchistische Strömungen eine grundlegendere Landreform fordern. 

    Auf der philosophischen Basis der sogenannten „Befreiungskirche“ kehrten Teile der katholischen Kirche in dieser Zeit sich von den Schichten der großen Landeigner sowie der Mittelklasse ab und unterstützten massiv die Arbeiterpartei, wodurch die (amerikanisch orientierten) „Pfingstkirchen“ starken Einfluss auf den bürgerlichen Mittelstand erhielten.

    In den Jahren 1994 bis 2002 etablierte sich eine neo-liberale Regierung unter dem Präsidenten Fernando Henrique Cardoso, welchem das Land die Privatisierung der gewaltigen Staatsbetriebe (z.B. der größten Minengesellschaft „Vale de Rio Doce“ und der achtgrößten Petroleumgesellschaft der Welt „PETROBRAS“), den forcierten Export landwirtschaftlicher und industrieller Produkte, die weltweit höchsten Steuern und Zinsen sowie eine Vervierfachung der In- und Auslandsschulden „verdankte“.

    Seit 2002 regiert der Führer der Arbeiterpartei, der ehemalige Werkzeugdreher „Lulada Silva (wiedergewählt 2006) mit einem erstaunlich ausgeglichenen Wirtschaftsprogramm, das, unter Beibehaltung neo-liberaler Grundzüge, sich hauptsächlich auf das Erziehungs-System, eine klein-industriell ausgerichtete Landreform sowie auf die finanzielle Stützung inproduktiver Bevölkerungsteile konzentriert (Kinder- und Schulgelder, Arbeitslosenversicherung, etc.).

 
Die Energiesituation des Landes
 
    Obschon durch bedeutende „off-shore“-Vorkommen das Land weitgehend autark hinsichtlich seines Petroleumverbrauches wurde, stiegen die Preise für Energieträger in den letzten 12 Jahren zwischen 500% und 700% an und erreichten internationalen Standart (z.B. € 0,95 pro Liter Benzin und € 0,70 pro Liter Diesel sowie € 0,20 pro Kilowattstunde im Mittelwert), jedoch bei einer geringeren Kaufkraft (monatliches Mindestgehalt für etwa ein Drittel der Bevölkerung: € 140,00). 

    Die kontinentale Ausdehnung Brasiliens (4.300 km von Ost nach West und 4.700 km von Nord nach Süd) bedingt, trotz der großen Zahl gewaltiger hydroelektrischer Stauwerke, die Verstromung von Dieselöl in den abgelegenen Städten und Regionen (Brasilien besitzt über 5.700 Landkreise) sowie den Straßentransport der Güter (ab 1964 wurde der größte Teil der von englischen Gruppen im ausgehenden XIX. Jahrhundert gebauten Eisenbahnstrecken demontiert und die Schiffbarkeit der riesigen Fluss-Systeme stößt vielfach auf naturgegebene Hindernisse), sodass der derzeitige Verbrauch von Dieselöl auf 43 Milliarden Liter pro Jahr anstieg (hieraus erklärt sich auch das Verbot von Dieselmotoren für PKW). 

    Während der Regierung Cardoso stagnierte das von den Militärs eingeführte Alkohol-Programm (derzeitige Produktion: 17 Milliarden Liter pro Jahr von über 6 Millionen Hektar an potentiell hochwertigen Zuckerrohrflächen bei Produktionskosten von etwa € 0,15 pro Liter und einem monopolisierten Verkaufspreis an der Tankstelle von € 0,60 im Mittel), während gleichzeitig von den in Brasilien ansässigen Automobilherstellern (speziell VW, Ford und General Motors) verstärkt „Flex-Power-Fahrzeuge“ angeboten wurden, welche bis heute 85% des Marktes eroberten (in den gleichen Jahren bauten die USA ihr Alkohol-Programm auf, mit einer Produktion in 2006 von 18,5 Milliarden Litern von weltweit über 14 Millionen Hektar an hochproduktiven Mais-Anbauflächen, welche der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden, mit der Folge des Anstieges der Marktpreise für Soja und Mais).
     
    Im Dezember 2004 schuf der neue Präsident „Lula“ das brasilianische Biodiesel-Programm zur Förderung der Landreform, mit der Maßgabe, dass einzig die Staatsgesellschaft PETROBRAS den über Ethanol zu transesterifizierenden Biodiesel einsteigern darf (zur Beimischung von derzeit 2% bis zu 8% im Jahre 2012), wobei der Verkäufer die Herkunft von mindestens 30% des verwendeten Rohmaterials aus der Produktion angesiedelter Kleinbauern nachweisen muss („Grünes Siegel“). 

    Unter Ansatz der derzeitigen Marktpreise für Pflanzöl von € 0,27 pro Liter bei größeren Mengen bis zu € 0,41 bei kleinen Mengen sowie den Kosten für die Transesterifizierung von etwa € 0,16 pro Liter Pflanzenöl, ergeben sich Produktions-kosten zwischen € 0,43 bis 0,57 gegen den derzeitigen Versteigerungspreis von € 0,65 pro Liter (im November 2005 war dieser Wert noch bei € 0,71), sodass bereits die Finanzierung größerer Biodiesel-Anlagen wieder zurückgestellt wurde.

    Hinzu kommt, dass die PETROBRAS kürzlich ihre Technologie des „H-Bio“ vorstellte, bei der bis zu 20% billiges, mit Hexan ausgewaschenesnes Pflanzenöl (mit einem Phosphatgehalt von 430 ppm/Liter) bereits in der Raffinerie mit 80% Dieselöl gemischt wird, sodass die Notwendigkeit zum Ankauf des teueren Biodiesels entfällt.

 
Das Programm zur Landreform
 
    Seit den 50er Jahren des XX. Jahrhunderts leitet das Staatliche Institut für Kolonisierung und Landreform – INCRA (unterstellt dem Ministerium zur Landwirtschaftlichen Entwicklung) die Erschließung ganzer Staaten (wie Tocantins, Para, Rondonia, Acre, Amazonia und Roraima), baut Strassen, Dörfer, Städte und verteilt staatliches und vom Staat erworbenes Land an Kleinbauern (das Landwirtschaftsministerium ist für die großflächige Produktion von derzeit 120 Millionen Tonnen an Erntegut, speziell für den Export, zuständig). 

    Die somit gegründeten Siedlungsgemeinschaften („Assentamentos“ mit, im Schnitt, 100 bis 300 Familien) waren geplant als merkantilistische Produktionszentren in der juristischen Form von Genossenschaften („Kooperativen“). Das Modell litt jedoch unter der größtenteils schlechten Qualität der Böden (die Grossbauern verkaufen verständlicherweise nur ihre unproduktivsten Ländereien), der mangelnden landwirtschaftlichen Erfahrung der Siedler, der fehlenden Infra-Strukturen für Anbau, Ernte, Bearbeitung und Verkauf der Produkte sowie an der Verfügbarkeit von Betriebskrediten. 

    Die Fehlentwicklungen manifestierten sich einerseits im Raubbau an Hölzern aus den übergebenen Kleinfarmen (im Schnitt zwischen 20 und 250 Hektar je nach Region) und im Verkauf der Ländereien wieder an die Großgrundbesitzer (um sich dann in einem anderen Staat wieder bei der INCRA für neues Land in die Reihe zu stellen), sowie anderseits in der Konzentration auf „Milch und Honig“ (während die Nahrungsmittel in den Supermärkten eingekauft werden) und in der neuerlichen Landflucht der Kinder der angesiedelten Familien. 

    Erst seit den zurückliegenden 90er Jahren gibt es gezielte Kredite des „Nationalen Programms der Familiären Landwirtschaft – PRONAF“, welche sich heute auf vier Linien erstrecken (mit Jahreszinsen von 4%):

    • Urbarmachung des Landes (€ 2.200,00 pro Familie)
    • Pflanz- und Erntekredite (€ 4.500,00 pro Familie)
    • Kauf von Maschinen und Fahrzeugen (€ 6.500,00 pro Familie mit der Möglichkeit zur Gründung von Maschinen-Ringen)
    • Beteiligung am Aufbau von Kleinindustrien zur Wertschöpfung der Produkte (€ 6.500,00 pro Familie bei Gründung von Industrie-Kooperativen). 

    Gefordert von der agitatorischen, landbesetzenden Linksbewegung der „Landlosen“ („Sem Terra“, weitgehend unterstützt von Teilen der katholischen Kirche), setzt die Regierung zudem auf gezielte Ausbildungsprogramme, Verringerung der Produktionskosten und Zusatzeinnahmen über Biodiesel sowie auf den Export der landwirtschaftlichen Produkte der Siedlungsgemeinschaften. 

    Die Kritik an der Landreform konzentriert sich auf die immer noch große Inproduktivität der übertragenen Böden, die Vernachlässigung der kleinen und mittleren Landwirte außerhalb der staatlichen Siedlungsgemeinschaften (welche oft dadurch ihr Land an ihre Kreditgeber verlieren) sowie auf die linksorientierte politische Indoktrinierung der Kleinbauern.

 
Die Situation der Landwirtschaft
 
    Grundsätzlich untergliedert sich die Landwirtschaft Brasiliens in vier Regionen:

    • Der kühle Süden (von Rio Grande do Sul bis Sao Paulo) mit kleinen, horizontal bewirtschafteten Betrieben von Nachkommen hauptsächlich deutscher und italienischer Familien, wobei jedoch die Erbteilung und der Produktionsverlust der Böden durch den Sojaanbau auch hier Armutsregionen entstehen ließ.
    • Das europäisch-klimatische bis subtropische Zentrum (mit den Staaten Minas Gerais, Mato Grosso do Sul, Goias, Tocantins und Mato Grosso), in welchem sich die Großfarmen für Soja, Mais und Baumwolle konzentrieren (mit Flächen von 2.500 Hektar in Minas Gerais bis zu 125.000 Hektar im Mato Grosso).
    • Der heiße Nordosten (von Bahia entlang der Atlantikküste bis zum Staat Piaui), gekennzeichnet durch unregelmäßige oder langjährig fehlende Niederschläge, sandige Böden und Raubbau an den Wald- und Palmenregionen zur Herstellung von Holzkohle für die Verhüttung der regionalen Erzvorkommen, mit der Folge der Landflucht nach den Großstädten im Süden, wo die „Nordestinos“ den größten Anteil marginalisierter und kriminalisierter Slumbewohner („Favelas“) darstellen.
    • Der tropische Norden (vom Staat Maranhao bis an die Grenzen des Amazonas-Gebietes zu Venezuela, Kolumbien und Peru), der unter dem Bevölkerungsdruck verarmter, unzufriedener Bauern aus dem Süden in den letzten dreißig Jahren 12% seiner Urwaldfläche verlor, verbunden mit der Vergiftung zahlreicher Flüsse durch den Abbau von Gold- und Manganminen, und bereits Trockenperioden (!) mit ausgedörrten Flussläufen mitten im Dschungel des Amazonasgebietes aufweist. 

    Das primäre Strukturproblem des brasilianischen „Agro-Business“ manifestiert sich in den Regionen des großflächigen (teilweise gen-manipulierten) und vertikalen Sojaanbaus, der - bei ständig steigenden Kosten für Dünger, chemische Gifte und Dieselöl (welches den Transport der Produktionsmittel sowie die Produktionskosten auf den Anbauflächen verteuert und gleichzeitig den Wert der Produkte aufgrund der großen Entfernungen des Abtransports herabsetzt) gegen die (in US-$) gleichbleibenden Kurse der Warenbörse von Chikago - sich über die letzen drei Jahre hinweg als unwirtschaftlich erwies und die Großfarmer deskapitalisierte. Dennoch entfachte dies bislang nur teilweise die Diskussion zur Notwendigkeit horizontaler Produktions-Zyklen („sustainable farming“) mit Wertschöpfung auf den erzeugten Rohstoffen (man wartet und hofft auf höhere Preise und politische Unterstützung).

    Als zweites Problem der landwirtschaftlichen Strukturen erweist sich die extensive Rinderzucht auf derzeit über 90 Millionen Hektar natürlicher Weideflächen, welche sich (aufgrund niedriger Erträge, die eine Bodenverbesserung über Düngung und Anbau hochwertiger Futtergäser nicht finanzieren) in stetiger Degenerierung befinden und, im Schnitt, nur einen Besatz von einem Rind auf drei bis vier Hektar Land erlauben (etwa 20 Millionen Hektar davon sind bereits als weitgehend unproduktiv eingestuft). Seit Jahren gehen deshalb viele Großfarmer zur, zumindest halbintensiven jedoch teueren, Rindermast über (bei Zufütterung von Proteinträgern wie Soja-, Sonnenblumen- und Baumwollkernschrot), wobei anzumerken ist, dass auch aufgrund der aufgebauten Schweine- und Hühnerzuchtbetriebe (Höfe mit, z.B., 4.000 bis 6.000 Mutterschweinen sind keine Seltenheit) Brasilien bereits zum größten Fleischexporteur der Welt geworden ist).

 










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